Nokias (geheime) Pläne mit Android

Wenn es stimmt, was die ”New York Times” meldet, dann muss der Microsoft-Nokia-Deal neu bewertet werden. Denn dann war vielleicht gar nicht der integrierte (Mobilfunk-) Konzern der Grund für die Übernahme, sondern vielmehr Angst oder gar Panik. So soll Android laut NYT bereits auf den Lumia-Geräten gelaufen sein. Und dies soll Microsoft bekannt gewesen sein! Ein Lumia mit Android aber, nicht nur als Vision, sondern in Realität, das hätte den Markt nachhaltig zu Ungunsten von Microsoft verändert!

Dann hätte der Verlust des wichtigsten Anbieters von Windows Phone-Geräten, mit einem Marktanteil von 80 Prozent, gedroht. Schließlich wäre wohl zurecht der Eindruck entstanden, Nokia glaube selbst nicht mehr an den Erfolg von Windows Phone. Vielleicht wollte man in Espoo sogar eine Klausel im Vertrag nutzen, Ende 2014 hätte Nokia nämlich die Partnerschaft mit Microsoft beenden können! Wie aber dieser Schritt vom Markt aufgenommen worden wäre, das kann man sich sehr leicht vorstellen. Desaster für Microsoft und Windows Phone oder sogar das Aus für Microsofts Versuch im Mobilfunkmarkt, das wären wohl die Reaktionen gewesen! Musste Microsoft also Nokia kaufen, um Windows Phone zu retten? Und wollte man sich in Espoo wirklich von Microsoft trennen? Wie spannend wäre es, die Hintergründe zu erfahren!

Turbulenzen im Mobilfunkmarkt

Zur Zeit erinnern die Ereignisse im Mobilfunkmarkt an längst vergangene Zeiten, ein Deal jagt den nächsten, die lang angekündigte Konsolidierung schreitet voran und noch scheint das große Stühlerücken nicht beendet.

Da stößt Vodafone seinen Verizon-Anteil in den USA ab, E-Plus und O2 wollen fusionieren, während gleichzeitig Carlos Slim versucht die E-Plus Mutter KPN zu übernehmen und die Fusion zu vereiteln. Und bei den Geräteherstellern ist auch ein großer Deal zu vermelden: Microsoft schnappt sich Nokia und will sich somit als integrierter (Mobilfunk-) Konzern endlich wieder ein größeres Stück vom Kuchen der mobilen Betriebssysteme abschneiden. Zur Zeit gibt es insgesamt drei mehr oder minder relevante Betriebssysteme, die von ebenfalls drei Anbietern dominiert werden, Android mit Samsung, iOS mit Apple und Windows Phone mit Nokia/Microsoft. Für die anderen Hersteller wird es langsam eng was große Marktanteile anbelangt. Denn es bleiben nur zwei Möglichkeiten, sich hinter Samsung bei Android einzureihen oder aber versuchen Nokia und damit Microsoft zu folgen und dort sein Heil zu suchen. Dafür sprechen die guten Kontakte die Redmond zu den Hardware-Anbietern hat, dagegen, dass Microsoft nach dem Tablet-Markt ein weiteres Mal selbst als Hardwareanbieter auf dem Markt antritt und sich die Begeisterung für diesen Schritt sicherlich in sehr engen Grenzen halten wird! Aber Erfolge beim Hardware-Geschäft hat Microsoft jedenfalls bis zum heutigen Tage nicht zu vermelden!

Der große Verlierer steht damit auch schon fest: BlackBerry wird wohl allenfalls die Rolle des Nischenanbieters bleiben und auch nur dann, wenn es gelingt sich auf niedrigem Niveau zu konsolidieren. Es sei denn, auch hier schlägt noch ein anderer Anbieter zu und geht in Waterloo einkaufen! Die Wahrscheinlichkeit ist seit heute wieder gestiegen.

Windows Phone 8 wurde geadelt

Windows_Phone_8_StartScreen

Zugegeben es hat einige Zeit gedauert bis Microsofts neues Smartphone Betriebssystem Windows Phone 8 vom Markt angenommen wurde. Doch das ist mittlerweile geschehen. So hat sich der weltweite Marktanteil von Windows Phone sehr gut entwickelt. Der aktuelle Anteil beträgt 3,3 Prozent gegenüber 2,6 Prozent vor einem Jahr, eine Steigerung von rund 30 Prozent! Damit ist es Microsoft gelungen, das Blackberry-Betriebssystem von der dritten Position zu verdrängen. Und auch für Nokia dürfte das eine sehr gute Meldung sein, sind es doch die Finnen, die mit ihrer Konzentration auf Redmonds System maßgeblich zu diesem Markterfolg beigetragen haben. Mittlerweile kapituliert wohl auch HTC vor den Lumias, denn hier will man sich anscheinend aus der Produktion von Windows Phone Geräten zurückziehen und sich komplett auf Android konzentrieren. Die Marktposition von Nokia ist wohl zu erdrückend. Ob HTC aber bei Android mehr Erfolg haben wird, das steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt. Hier heißt der alle überragende Marktteilnehmer Samsung!

Doch all dies sind bestenfalls erste Kennzeichen für eine geänderte Marktposition. Den Beweis, dass Microsoft wichtiger geworden ist liefert jetzt nämlich ein anderes Unternehmen, Google! Die langwährende Auseinandersetzung zwischen Google und Microsoft rund um die YouTube-App für Windows Phone scheint endgültig Geschichte zu sein. Mittlerweile wurde die neue Version der YouTube-App in den Windows Phone Store gestellt und kann heruntergeladen werden. Und wenn sich Mountain View dazu durchringt, eine App für ein Betriebssystem zu liefern, dann wird deutlich – man hat es geschafft! Microsoft ist wieder in den Kreis ernsthafter Anbieter aufgenommen worden!

Update 16.08.2013: Trotzdem gehen die Störfeuer aus Mountain View weiter. So berichtet unter anderem der GoogleWatchBlog, dass Google die neue App auch gesperrt hat. Darüber beschwert sich Microsofts Blogger David Howard in ”The Limits of Google’s openness”, Google habe gefordert Microsofts App solle voll auf HTML5 setzen um auf das Videoportal zuzugreifen – die offiziellen Apps für Android und iOS hingegen täten dies nicht. Fortsetzung dieses Streits ist wohl leider zu erwarten! Vielleicht soll Microsoft dann doch nicht noch stärker werden. Man kann aber auch wie teezeh fragen: Wie war das mit Don’t be evil?

Und Nokia produziert immer noch Gummistiefel…

Die Kommentare der letzten Tage zum Springer-Funke-Deal zeigen den tiefen Riss der die Medienjournalisten in zwei Lager teilt. Stellvertretend für die zwei Pole sei hier auf Kurt Kister und Thomas Knüwer verwiesen. Kister, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung lehnt den Deal vollkommen ab: ”Mathias Döpfner ist, anders als die demokratische Gesellschaft, auf ordentlichen Journalismus nicht mehr angewiesen.” Thomas Knüwer spricht in diesem Zusammenhang mit Recht davon, dass das ”Sterben der Tageszeitungen und die Existenzgefährdung vieler Verlage eine neue Eskalationsstufe” erreicht habe.

Ganz abgesehen davon, dass ”ordentlicher” (ja wir sind in Deutschland und hier hat alles ordentlich vonstatten zu gehen) Journalismus sowieso schon sehr seltsam klingt, erscheint mir die gesamte Argumentationslinie reichlich komisch. Was ich dabei den Kritikern von Matthias Döpfner vorwerfe ist: Sie argumentieren vollkommen falsch, denn sie vergessen schlicht und ergreifend die wesentliche Tatsache, Döpfner ist Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. Und in dieser Eigenschaft ist es nun mal seine Aufgabe, die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu überprüfen und sofern nötig zu ändern. Mit dem Verkauf der neun Print-Titel hat er nichts anderes gemacht, als seiner Verpflichtung nachzukommen. Ihn zu kritisieren, er verrate die Prinzipien des Verlegers ist Quatsch. Es geht nicht darum, ob das Vorgehen einem irgendwie gearteten ”verlegerischem Usus” entspricht, ob es Verrat am Journalismus ist oder was sonst noch. Es geht für Döpfner nur darum, ob es aus seiner Sicht der richtige Weg ist, die weitere Existenz der Axel Springer AG zu sichern oder nicht! Dafür wird er bezahlt und nicht für die Zahl der Print-Titel. Ob das die richtige Entscheidung ist wird die Zukunft zeigen. Ob er aber im Sinne des Unternehmens handelt, unterliegt zuerst einmal nur der Einschätzung des Aufsichtsrates beziehungsweise der Anteilseigner.

Vielleicht fallen die negativen Urteile zum Teil auch deswegen so heftig aus, weil den Beteiligten in Verlagen und Redaktionen immer deutlicher vor Augen geführt wird, dass die große Zukunft gedruckter Medien weitgehend vorbei ist, dass das Zeitfenster für Print immer kleiner wird, dass die berufliche Zukunft für jeden Journalisten kritischer wird und dass Springer eben kein Nobody ist. Vielleicht deshalb die verbale Prügel, denn wer sehen konnte oder wollte, für den war schon lange klar, wo Springer in Zukunft den Schwerpunkt seines unternehmerischen Handelns sieht. Zukäufe im Digitalbereich oder die Auszeit maßgeblicher Mitarbeiter im Silicon Valley – eine Überraschung ist die Entscheidung pro Digitalisierung daher nicht.

Womit wir auch wieder bei der Überschrift wären? Wo steht denn geschrieben, dass ein Unternehmen in Nibelungentreue an einem einmal eingeschlagenen Weg bedingungslos festhalten muss, getreu dem Motto, wenn wir nicht das machen können, was wir bis jetzt immer gemacht haben, dann fahren wir unser Geschäft halt vor die Wand. Nokia produziert auch nicht mehr Papiererzeugnisse wie im 19. oder Gummistiefel und Radmäntel für Rollstühle wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hat man in Espoo etwa irgendwelche Prinzipien verraten? Aber das ist halt ein anderes Geschäft und nicht mit so einem Überbau befrachtet wie der deutsche Journalismus und das deutsche Verlagswesen!