Die Kommentare der letzten Tage zum Springer-Funke-Deal zeigen den tiefen Riss der die Medienjournalisten in zwei Lager teilt. Stellvertretend für die zwei Pole sei hier auf Kurt Kister und Thomas Knüwer verwiesen. Kister, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung lehnt den Deal vollkommen ab: ”Mathias Döpfner ist, anders als die demokratische Gesellschaft, auf ordentlichen Journalismus nicht mehr angewiesen.” Thomas Knüwer spricht in diesem Zusammenhang mit Recht davon, dass das ”Sterben der Tageszeitungen und die Existenzgefährdung vieler Verlage eine neue Eskalationsstufe” erreicht habe.
Ganz abgesehen davon, dass ”ordentlicher” (ja wir sind in Deutschland und hier hat alles ordentlich vonstatten zu gehen) Journalismus sowieso schon sehr seltsam klingt, erscheint mir die gesamte Argumentationslinie reichlich komisch. Was ich dabei den Kritikern von Matthias Döpfner vorwerfe ist: Sie argumentieren vollkommen falsch, denn sie vergessen schlicht und ergreifend die wesentliche Tatsache, Döpfner ist Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. Und in dieser Eigenschaft ist es nun mal seine Aufgabe, die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu überprüfen und sofern nötig zu ändern. Mit dem Verkauf der neun Print-Titel hat er nichts anderes gemacht, als seiner Verpflichtung nachzukommen. Ihn zu kritisieren, er verrate die Prinzipien des Verlegers ist Quatsch. Es geht nicht darum, ob das Vorgehen einem irgendwie gearteten ”verlegerischem Usus” entspricht, ob es Verrat am Journalismus ist oder was sonst noch. Es geht für Döpfner nur darum, ob es aus seiner Sicht der richtige Weg ist, die weitere Existenz der Axel Springer AG zu sichern oder nicht! Dafür wird er bezahlt und nicht für die Zahl der Print-Titel. Ob das die richtige Entscheidung ist wird die Zukunft zeigen. Ob er aber im Sinne des Unternehmens handelt, unterliegt zuerst einmal nur der Einschätzung des Aufsichtsrates beziehungsweise der Anteilseigner.
Vielleicht fallen die negativen Urteile zum Teil auch deswegen so heftig aus, weil den Beteiligten in Verlagen und Redaktionen immer deutlicher vor Augen geführt wird, dass die große Zukunft gedruckter Medien weitgehend vorbei ist, dass das Zeitfenster für Print immer kleiner wird, dass die berufliche Zukunft für jeden Journalisten kritischer wird und dass Springer eben kein Nobody ist. Vielleicht deshalb die verbale Prügel, denn wer sehen konnte oder wollte, für den war schon lange klar, wo Springer in Zukunft den Schwerpunkt seines unternehmerischen Handelns sieht. Zukäufe im Digitalbereich oder die Auszeit maßgeblicher Mitarbeiter im Silicon Valley – eine Überraschung ist die Entscheidung pro Digitalisierung daher nicht.
Womit wir auch wieder bei der Überschrift wären? Wo steht denn geschrieben, dass ein Unternehmen in Nibelungentreue an einem einmal eingeschlagenen Weg bedingungslos festhalten muss, getreu dem Motto, wenn wir nicht das machen können, was wir bis jetzt immer gemacht haben, dann fahren wir unser Geschäft halt vor die Wand. Nokia produziert auch nicht mehr Papiererzeugnisse wie im 19. oder Gummistiefel und Radmäntel für Rollstühle wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hat man in Espoo etwa irgendwelche Prinzipien verraten? Aber das ist halt ein anderes Geschäft und nicht mit so einem Überbau befrachtet wie der deutsche Journalismus und das deutsche Verlagswesen!