Das Jammern der Verlage Teil II oder Narretei im 21.Jahrhundert

Wie berichtet haben sich die tapferen, deutschen Helden der Verlagsbranche zusammen getan und sind in den gemeinsamen Kampf gegen das Böse gezogen. Das lauert – gut informierte Kreise überrascht das nicht – in Mountain View und hört auf den Namen Google. Diese moderne Form einer Tafelrunde (alles darunter wäre eine Beleidigung für die stolzen Recken) startete dann unter Federführung des Ritters Christoph – vormals bürgerlich unter dem Nachnamen Keese bekannt – die Suche nach Vasallen, Knappen und Bündnispartnern und fand sie in Berlin. Dort gab es eine Werkstatt, die in der Lage war, die besten und schärfsten Waffen zu schmieden. Man bediente sich dieses alten Handwerks und erhielt eine vollkommen neue Waffe genannt Leistungsschutzrecht.

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Aber ach welch Gram, das Böse reagierte gar nicht so wie man es sich erhofft hatte und kapitulierte einfach nicht. Nein, oh Schreck es wollte und wollte nicht zahlen, sondern welch schlimmer und heimtückischer Schachzug, man ignorierte dieses Fähnlein der Aufrechten. Da stand nun die VG Media in all ihrer Pracht – hier könnte man auch mit Fug und Recht den Ausdruck Blamage verwenden – und wusste nicht ein noch aus. Der Traffic auf den eigenen Seiten, den das Böse dorthin brachte und die damit verbundenen Einnahmen waren attraktiv und jetzt, jetzt war guter Rat teuer. Dann muss man eben doch kooperieren zumindest so lange, bis ein neuer Schlachtplan entwickelt worden ist oder neue Verbündete gefunden werden. Zumindest das ist eher schwierig, das Bundeskartellamt hat bereits abgewunken.

Also kreißte der Berg erneut und gebar eine Maus. Google darf aufgrund des weisen Beschlusses der Ritterschar ab sofort aber nicht auf ewig weiterhin Snippets und Thumbnails anzeigen. Das Ganze nennt sich in schönstem Behördendeutsch „widerrufliche Gratiseinwilligung“ und zeigt auf überaus deutliche Art, das LSR ist komplett gescheitert. Derweil leckt Ritter Christoph seine Wunden und schweigt!

Jeder mit einem gesunden Menschenverstand versehene Beobachter dieser Ereignisse konnte wohl voraussehen, dass das mit dem LSR, nie und nimmer funktionieren kann. Google schickt Besucher auf die Webseiten der Verlage und für diese von Google erbrachte Dienstleistung soll Mountain View zahlen? Wenn nur die Hälfte der Energie, die in die ganze Lobbyarbeit geflossen ist, darauf verwendet worden wäre sich auf die Suche nach einem nachhaltigen Geschäft im Digitalen zu machen und wie man Google dafür nutzen kann. Ja dann wäre den Verlagen sicherlich mehr geholfen.

Etwas Gutes hätte das alles jedoch. Das setzt aber voraus, dass die Politik ihre Lehren aus dieser Geschichte zieht. Denn nach meinem persönlichen Empfinden ist dies ein extrem übles Beispiel für Lobbyismus, die Blamage des Gestzgebers inklusive. Und wenn das zur Folge hätte, das Lobbyisten in Berlin weniger Gehör fänden, ja dann… Ach ja, man wird ja wohl noch träumen dürfen!

Das Jammern der Verlage

So jetzt macht Google ernst und zieht die Konsequenzen aus dem Vorgehen der Verlage, die in der VG Media zusammengeschlossen sind: Demnächst werden weder Textausschnitte noch Vorschaubilder dieser Unternehmen mehr angezeigt. Stattdessen zeigt die Suchmaschine nur noch den Link und die Überschrift des Artikels an. Damit befindet sich Google in einer rechtlich einwandfreien Situation, denn es wird nur das angezeigt, was NICHT gegen das neue Leistungsschutzrecht verstößt.

Also um das noch einmal Klipp und klar festzustellen: Die Verlage haben durch das geänderte Gesetz – dessen „Sinn“ in diesem Zusammenhang nicht zur Debatte steht – das gute Recht, von Suchmaschinenbetreibern vulgo Google zu verlangen die Erlaubnis zur Veröffentlichung von Textausschnitten oder Vorschaubildern einzuholen. Wenn diese das nicht machen, wie Google das jetzt eben praktizieren will, dann ist das Googles gutes Recht. Punkt, Schluss, aus!

Die Verlage wären aber nicht die Verlage, wenn sie auch nicht jetzt wieder versuchten in Mountain View den Schuldigen zu sichten. Die Frage, wer für die Situation verantwortlich ist, ist eigentlich klar zu beantworten. Doch anscheinend agieren bei der VG Media Leute, die erst handeln und dann über mögliche Folgen nachdenken. Denn der Böse ist natürlich – Google! Oder um es mit den Worten der grandiosen Pressemitteilung der VG Media zu sagen, Google erpresst Rechteinhaber! Also Google darf nicht die Konsequenz aus dem neuen Leistungsschutzrecht ziehen, sondern hat nach Ansicht der Verlage auch weiterhin Snippets und Thumbnails zu nutzen und für ordentlich Traffic auf deren Seiten zu sorgen inklusive einer Vergütung!

Die Frage, die ich mir seitdem stelle: Sind die Verlage jetzt total irre geworden oder ist mein Verstand nur zu klein, dass ich die dahinter liegende Logik nicht erfassen kann?

Funke-Mediengruppe oder hat der Wahnsinn Methode?

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Also gut, neu ist das Thema WAZ-  Funke-Mediengruppe nicht, aber drum herum kommt man als Medien-Interessierter zur Zeit wirklich nicht. Dafür sorgen die führenden Köpfe (?) des Verlags schon selbst. Diesmal sind es jedoch nicht die Entlassungen, sondern das Verständnis von Journalismus, der Umgang mit den Mitarbeitern und das peinliche Auftreten eines der Chefredakteure. Was ist passiert?

Ausgelöst wurde das Ganze durch das Interview eines Geschäftsführers des Verlages, von Manfred Braun. Dieser hat zwischen den beiden Entlassungswellen im Januar und März 2013 der Fachzeitschrift MedienWirtschaft ein Interview gegeben, das nun der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Darin bekennt er offen, wo zukünftig die Schwerpunkte des Verlags liegen sollen – Nähe geht vor Qualität. Dieses Vorgehen wird unter anderem mit den (vermeintlichen) Interessen der Leser begründet. Diese empfänden lokale Nähe weitaus wichtiger als alle anderen Faktoren! „Journalistische Qualität“ und das „Denken in Geschichten“ sei eindeutig zweitrangiger Natur.

So jetzt einmal tief durchatmen und das sacken lassen. Klar ist es für die Leser interessant zu erfahren, dass irgend ein Verein 25 Jahre alt wurde, dass die örtliche Laienschauspieltruppe wieder ein Stück aufgeführt hat und so weiter und so fort. Aber das soll den Leuten wichtiger sein, als die Fehler, Mängel und Mauscheleien der Lokalpolitik, die Existenznöte der Unternehmen vor Ort, den Widerständen gegen ein neues Gewerbegebiet etc.? Bei aller Liebe, das glaube ich jedenfalls nicht. Auch sind meine Erfahrungen in Bezug auf die politische Orientierung einer Zeitung andere, die Leser angeblich „nicht so deutlich und schon gar nicht als Qualitätsmerkmal“ wahrnähmen. Ja klar, deswegen gibt es ja auch noch an so manchem Ort in Deutschland Lokalredaktionen (die Funke-Mediengruppe selbst ändert das ja gerade) mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen und die Leser wechseln zwischen diesen Ausgaben täglich hin und her! Anmerkung am Rande: Wenn doch Qualität und der damit untrennbar verbundene Qualitätsjournalismus gar nicht so wichtig ist, wie in der letzten Zeit kolportiert wurde, dann war das Leistungsschutzrecht doch gar nicht nötig, oder Herr Braun?

Wenn Manfred Braun wirklich glaubt was er ausführt, dann sitzt er an der falschen Stelle. Zugegeben ist eine Kritik an der journalistischen Arbeitsweise durchaus möglich, ja sogar notwendig um die „Zeitung“ fit für die Zukunft zu machen. Denn längst nicht alles was so in und von Lokalredaktionen produziert wird verdient den Pulitzer Preis. Aber das hat auch vielschichtige Gründe (zum Beispiel Ausstattung mit Personal und Technik, Zeilenhonorare, Schüler als freie Mitarbeiter).

Doch diese Ausführungen gehen eindeutig zu weit! Denn was Herrn Braun in meinen Augen gänzlich für seine Aufgabe disqualifiziert, ist die Art und Weise seines Vorgehens. Ich finde eine öffentliche Zurechtweisung und Abwertung der Mitarbeiter und ihrer Arbeit absolut fehl am Platze. Verleger sollten ihre Kritik intern äußern, Probleme und andere Vorstellungen mit ihren Redaktionen diskutieren statt sich auf deren Kosten öffentlich zu profilieren. Ein solches Verhalten eines Topmanagers wird, egal ob die Kritik berechtigt ist oder nicht, von der Öffentlichkeit mit Recht als Imageschädigung verstanden und hat in der Regel vor allem Konsequenzen für den jeweiligen Manager.

Aber damit nicht genug an Peinlichkeiten. Denn auch der Chefredakteur der WAZ, Ulrich Reitz, passt sich diesem Niveau an. Anlass für die putzige Geschichte ist der 65. Geburtstag der WAZ und Herr Reitz gibt sich die Ehre, seinen Redakteuren und den Lesern auf eine Erklärbärweise das mit diesem Journalismus QUALITÄTSJOURNALISMUS aber so was von klasse zu erläutern, dass klein Fritzchen baff staunend zurück bleibt. Es sei denn man ist gewesener oder aktueller Redakteur im Hause, dann klingt das ganz schwer nach Hohn! Sorry das ist einfach nur schlechter Stil (Achtung doppeldeutig Herr Reitz) und zudem völlig unangebracht in der derzeitigen Situation.

Buchhandel und Verlage oder tolino shine vs. LSR

Buchhandel und Verlage eint zur Zeit die Frage nach ihrer Zukunft und offensichtlich beschreiten sie dabei unterschiedliche Wege. Die einen – sprich Verlage – heben einen Graben aus, sammeln ihre Truppen inkl. Bundestag und schützen hoffen sich mit dicken Mauern und dem LSR vor dem Untergang zu schützen. Die anderen – der Buchhandel – springen spät, aber vielleicht nicht zu spät auf den sich bereits in rasanter Fahrt befindlichen Zug E-Book.

Dabei ist nicht nur die Tatsache interessant, dass sie das tun, sondern auch die Allianz die dabei geschlossen wird. Denn dieser gehören mit Hugendubel, Thalia und Weltbild drei Schwergewichte in der zugegeben sehr fragmentierten deutschen Buchhandelslandschaft an. Viel interessanter aber sind die beiden anderen Beteiligten, Club Bertelsmann und Deutsche Telekom. Bertelsmann bietet dabei Kompetenzen und Inhalte über den Buchhandel hinaus, während die Telekom das technische Rückgrat der Allianz bildet: 25 GB Speicherplatz in der Cloud und kostenloser Zugang zu den 11.000 Hotspots! Das ist mal ein Wort.

Start des Projektes ist der kommende Donnerstag, 07. März 2013. Die breite Präsenz des Buchhandels vor Ort, die Möglichkeit das Gerät anders als den Kindle von Amazon anfassen und direkt mitnehmen zu können, bieten realistische Chancen sich am Markt zu etablieren und zumindest in Deutschland Amazon Paroli bieten zu können. Insbesondere wenn – der bei Smartphones so wichtige App-Faktor – auch im Buchhandel zählen sollte. Denn da hat die neue Allianz mit 300.000 Titeln gegenüber Amazon mit 120.000 Titeln deutlich die Nase vorn.

Also anscheinend ist es – oh Wunder – selbst in Deutschland möglich, sich mit dem digitalen Wandel wenn auch nicht anzufreunden so doch zumindest auseinanderzusetzen und nach einer Lösung zu suchen, das eigene Geschäftsmodell in die Zukunft zu transferieren.

Bundestag nimmt Leistungsschutzrecht an

Jetzt ist es dann doch passiert, war ja auch nicht anders zu erwarten. Deutschland schwingt sich in ungeahnte Höhen auf: Wir verstehen was von diesem Internet-Kram! Wenn wieder einmal jemand aus Regierungskreisen irgend etwas davon erzählt, man wolle diese Internet-Dingens Start-Ups unterstützen, ein deutsches Silicon Valley ermöglichen… einfach einmal nachfragen wie denn das mit dem LSR gelaufen ist. Was das denn mit digitaler Offensive zu tun habe und so weiter.

Jetzt poste ich also doch und entgegen meiner gestrigen Aussage zum LSR. Der Grund liegt im Beitrag von Thomas Knüwer. Ich finde seine Argumentation vollkommen richtig und werde auch daher nicht mehr auf Inhalte von Verlagen verlinken.

Und der – sich selbst so bezeichnende – Qualitätsjournalismus setzt sich beim LSR durch, wenn auch nur mit Abstrichen. Die Frage die sich stellt, ob die Damen und Herren schon einmal etwas von Pyrrhus gehört haben, denn das war es mit Sicherheit.

Aus aktuellem Anlass

Aus den allseits bekannten Gründen müsste an dieser Stelle jetzt eigentlich ein Artikel zum Leistungsschutzrecht stehen. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass ich in diesem Fall mittlerweile schlicht sprachlos bin. Mir fällt dazu nicht mehr viel ein was „druckreif“ genannt werden kann. Ist aber egal, denn Stefan Niggemeier hat das sowieso perfekt hinbekommen „Lügen für das Leistungsschutzrecht (5)“.

Danke Stefan!