Ach CeBIT – „Ich weiß es doch auch nicht“!

Wilfried Schmicklers Programm spiegelt wunderbar wieder, wie es mir in den letzten Tagen in Hannover gegangen ist. Ob die Messe ein Erfolg war – „Ich weiß es doch auch nicht“. (Offizielle Pressemitteilungen verkünden da eh immer das Gleiche: Die Messe war ein voller Erfolg!) Einige Aussteller waren begeistert und sprachen bereits am Mittwoch von einem großen Erfolg, einige waren halbwegs zufrieden und einige gar nicht. Das ist aber auf jeder Veranstaltung so, also auch kein Beweis. Schlangen beim Einlass bildeten sich auch wieder, ganz anders als in den letzten Jahren.

Schlangen am Eingang und dies lag nicht nur an den Taschenkontrollen. 21.03.2017 vom itbeobachter

Aber dieses Gefühl der Marginalisierung der Messe stellte sich dennoch ein, dass hier in Hannover gerade etwas ganz, ganz schief läuft. Es war ein diffuses Gefühl unterstützt von den Gesprächen, den Eindrücken und dem teilweisen „weiter so“ der Aussteller. Paradigmatisch kann hierfür die „gute, alte“ Halle 3 stehen, die „Halle der Hölle“ oder im CeBIT-Sprech: Digital Office Area. Das Konzept der meisten Aussteller hat sich in den letzten Jahren jetzt nicht sooo sehr geändert. Alles selbstverständlich total digital, innovativ, irgendwas mit Akten und Archiv und der unheimlich großen Relevanz für JEDES Unternehmen – also exakt das, was ich vor etwa 20 Jahren in Essen auch schon gehört oder gesehen habe. Vorträge und Foren auf denen seit x-Jahren in nicht immer unterschiedlichen Varianten das Gleiche erzählt wurde und man sich gegenseitig versicherte wie relevant das eigene Tun / Geschäftsfeld doch ist. Nur die Realität 2017 spiegelt das jetzt nicht unbedingt wieder. Ich habe beim Rundgang in dieser Halle exakt drei Aussteller gefunden, die da einen anderen und nach meinem Empfinden zeitgemäßeren Ansatz verfolgen, aber das war es auch schon. Diese Konzepte von vorvorgestern sind ein Beispiel dafür, warum die Musik in Sachen IT / Innovation jetzt anderen Orts spielt etwa in Barcelona oder Berlin.

Was man anders machen könnte – „Ich weiß es doch auch nicht“. Dass aber etwas anders laufen muss, das erschien mir klar oder um es mit den Worten von Georg Christoph Lichtenberg zu sagen: ”Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll.” Denn in den Hallen geisterte der Satz herum: „Das ist das letzte Mal, dass ich auf der CeBIT bin!“ Und dann wurde vom Leder gezogen, dass es eine wahre Pracht war, die fehlende Fokussierung kritisiert, das Festhalten an alten Rollenbildern, das Fehlen von Konzepten wie man Diskussion, Business, Motivation, Coolness … wieder einmal in Hannover versammeln könnte. Ach so und Coolness meint in diesem Falle nicht, das gesamte Standpersonal mit bunten Sneakers etwa in Orange oder Giftgrün auszustatten!

Cool hingegen der Coyote III vom DFKI. 21.03.2017 vom itbeobachter

Soweit war also irgendwie alles beim Alten geblieben, das letzte spannende Netzwerkgespräch am Mittwoch absolviert und vor der Abreise noch mal kurz kontrolliert ob noch irgend etwas Interessantes gemeldet wurde – Yep es gab etwas Neues, ein neues Konzept für die CeBIT. Gähn! Die Messeleitung hat in den letzten Jahren, eigentlich seit den Boomjahren ständig versucht irgend etwas zu verändern, um die Marginalisierung zu stoppen. Mal mit der Konzentration auf das Business, mal mit Avancen an den Consumer, mal als hippe Veranstaltung (Webciety), dann wieder klassisch, oder – an dieser Stelle setze bitte jede(r )das ein, was gerade einfällt – herausgekommen ist stets dasselbe Ergebnis: der dauerhafte Niedergang und Bedeutungsverlust der CeBIT. Okay, Business as usual, doch stopp was steht da Juni? Steht da wirklich Juni? Nee, da kann gar nicht Juni stehen! Doch, die sprechen wirklich von einer Verlegung in den Juni! Quasi halbe Strecke zwischen Barcelona und Berlin = die letzte Chance. Und dann etwas von Festival, gesellschaftlicher Relevanz, Diskussion, Disruption und Impulsen. Sie wollen moderner, attraktiver werden. Wenn das nicht das übliche Gefasel von Neuorientierung und so weiter ist, die Messeleitung vielleicht einmal einen längeren Atem an den Tag legt, dann, ja dann könnte es gelingen und die Marginalisierung, der Bedeutungsverlust gestoppt werden. Das wäre allenfalls ein erster Schritt, nicht weniger, aber auch nicht mehr als das. Prognose? Ach CeBIT – „Ich weiß es doch auch nicht“!

Zurück aus Hannover

Ich bin aus Hannover zurück und wie war es? Fast so wie immer eigentlich. Doch die ersten zwei Tage waren eine wirkliche Überraschung, denn der März in Hannover sorgte für echte Verwirrung – nicht kalt, nicht grau, nicht windig, man kam also ohne Mantel und Schal aus: ein wahrlich seltenes Erlebnis! Der Donnerstag sorgte dann dafür, dass sich das Bibbern und die altbekannte Feuchtigkeit von oben und damit das klassische CeBIT-Wetter wieder einstellten. Und dann die Anreise. So schnell und ohne Stau – das habe ich noch nie erlebt! Als Völkerwanderung kann man den ersten Tag nun wahrlich nicht bezeichnen.

So zog sich das auch über den gesamten Tag, sehr zäh. Die Aussteller waren nicht unbedingt angetan vom Dienstag. Zugegeben ist der erste CeBIT-Tag nie geprägt von Besuchermassen ohne Ende, aber schlechter habe ich das in den letzten Jahren nicht erlebt. Einige Hallen waren zudem sehr schwach belegt, so dass Leerstände von einem Drittel durchaus anzutreffen waren. Aber auch der Schwund an Ausstellungsfläche ist ja nun nichts Neues mehr. Ebenso dass einige Schwergewichte fehlten wie Apple, Lenovo oder Oracle um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Aber dass nun Aussteller sich immer offener über die Bequemlichkeit und das fehlende Servicedenken der Hannover Messe äußern – und nein es handelt sich dabei eben nicht nur um kleine oder mittelständische Aussteller, sondern auch um weltweit agierende Schwergewichte – kann man nur als schallende Ohrfeige bezeichnen. Das sollte den Veranstaltern mit Frank Pörschmann an der Spitze zu denken geben!

Grundsätzlich war die Stimmung der meisten Aussteller die ich gesprochen habe positiv. Fast alle äußerten sich Mittwoch und Donnerstag zufrieden über Zahl und Qualität der Gespräche. Also zumindest damit können die Macher punkten.

Auffallend war, dass es wieder zu keinen großen Neuvorstellungen von Produkten kam, aber dass überall dort wo mobile Devices – bei den Smartphones noch etwas mehr als den Tablets – gezeigt wurden sich die Leute drängelten. Wenn es einen Indikator dafür gibt, was in der IT-Welt interessiert und begeistert, hier ist er. Neuigkeiten werden aber eher im Mekka der „mobilen Welt“ in Barcelona denn in Hannover der Öffentlichkeit erstmalig präsentiert. Hier hat der Mobile World Congress eindeutig die Nase vorn. Wäre einmal an der Zeit, dass sich die CeBIT Gedanken darüber macht, wie sie das wieder ändert und auch auf diesem Wege das Interesse von Besuchern und Medien zusätzlich steigert. Denn grundsätzlich stößt die Telekommunikation auf großes Besucherinteresse. So war die Halle 13 ständig sehr gut besucht, selbst am enttäuschenden Dienstag! Und das galt nicht nur für AVM, die in Deutschland mit ihrer FRITZ!Box-Familie fast Monopolist bei der Heimvernetzung sind.

Zumindest das Leitmotiv „Shareconomy“ ist vielfach aufgegriffen und thematisiert worden. Das ist deutlich besser gelaufen als in den Vorjahren. Agiert man an den anderen Stellschrauben zukünftig auch deutlich intelligenter, stellt man sich offen der Kritik, dann kann die Messe auch in ihrer Außenwirkung sicher wieder zulegen. Denn eines bietet Hannover noch immer – eine hervorragende Möglichkeit eine große Bandbreite an Produkten und Herstellern auf engstem Raum unter die Lupe nehmen zu können. Auch als Branchentreff und zum Netzwerken ist die CeBIT geeignet. Eigentlich gute Voraussetzungen, um die Messe noch stärker zu pushen. Mal sehen wie das in 2014 aussieht und ob die Macher die Fehler und Schwächen erkannt haben und daraus gelernt haben. Darauf wetten werde ich nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit jedenfalls nicht.