Abo 2.0

Okay, die Geschichte des Überlebenskampfes der Printpresse ist bereits reich an skurrilen und seltsamen Anekdoten, wie die Verlage hoffen ihr Geschäftsmodell in die Zukunft transferieren zu können. Auch an dieser Stelle gab es bereits den einen oder anderen Blogbeitrag, der sich mit dem Thema befasste, zuerst einmal in „Person“ der Funke-Mediengruppe. Und wie der Zufall es will, wieder gibt es aus Essen etwas zu berichten. Doch bevor ich darauf eingehe, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass die intensive Berichterstattung über das Essener Medienunternehmen nicht darin begründet ist, dass WAZ & Co. unter besonderer Beobachtung stehen. Nein vielmehr liegt es daran, dass wie Heinrich Böll einmal feststellte es „weder beabsichtigt, noch zufällig, sondern unvermeidlich“ ist.

Denn die kreativen Köpfe des Konzerns haben sich etwas ausgedacht, ein neues Modell für das Print-Abonnement, das ich passend zur Entwicklung im Web Abo 2.0 nennen möchte. Bei diesem Modell werden jahrelang bewährte Methoden wie die morgendliche und tagesaktuelle Auslieferung des Blattes einfach gekappt und durch einen revolutionär neuen Vertriebsweg ersetzt: die Verzögerung der Lieferung um 24-Stunden. Denn die WAZ hat einem Teil ihrer Abonnenten en passant mitgeteilt, ihre Zeitung könne leider erst am nächsten Werktag nach dem Erscheinungstag zugestellt werden. Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen, die Zeitung von heute, dem 05. Juni hat der Leser nicht mehr heute morgen erhalten sondern wird er erst morgen am 06. Juni im Briefkasten finden! Woran das liegt, fragt sich der geneigte Betrachter, und die Erklärung wird direkt mitgeliefert: Es sind nicht höhere Mächte, die die Verzögerung verschulden sondern „unvermeidliche Logistikänderungen“. Der Verlag bittet selbstverständlich um Verständnis und verweist auf das „kostenlose“ E-Paper der WAZ.

Man kann zu Print stehen wie man möchte, aber das ist schlicht und ergreifend ein Tritt in den Ar… des Kunden. Denn dieser erwartet schließlich jeden morgen bis spätestens sieben besser noch sechs Uhr seine aktuelle Tageszeitung – zumindest verstehen die Verlage ihr Produkt als aktuell – im Briefkasten. Ist die dann nicht da, wird zügig zum Telefon gegriffen und nachgehakt wo denn die Zeitung bleibt. Gegen eine Umstellung auf ein digitales Abo ist natürlich gar nichts einzuwenden, wenn, ja wenn sich der Abonnent freiwillig entscheidet, seine Zeitung auf einem Tablet zu lesen. Ihm aber mehr oder weniger die Pistole auf die Brust zu setzen, digitales Abo oder 24-Stunden-Verspätung ist also nur hirnrissig. Vielleicht interessiert den Verlag aber das Printprodukt gar nicht mehr und er will auf diesem Wege die Leser in Richtung Digitalausgabe drängen. Doch das entscheidet der Kunde in der Regel ganz allein, gegebenenfalls auch per Kündigung.

Ich weiß zwar nicht, wer für diese angebliche Logistikänderung verantwortlich zeichnet, aber wie Hohn wirkt das, was auf der eigenen Webseite zur WAZ-Logistik steht: „Millionen Sendungen werden wöchentlich von der WAZ-Logistik NRW (WLN) in die Briefkästen der Menschen in unserem Verbreitungsgebiet geliefert – schnell und ohne Umwege. WAZ-Logistik NRW bietet als erfahrenes Service-Unternehmen der FUNKE MEDIENGRUPPE eine qualitativ hochwertige Zustellung von adressierten und unadressierten Produkten aller Art.“

Die Einschläge werden heftiger

Ich weiß, die Krise der Zeitungen ist nun wahrlich kein neues Thema. Auflagenverlust der Tageszeitungen seit 2000 um 30 Prozent, Anzeigenerlöse um 42 Prozent gesunken. Und dennoch, was sich in den vergangenen Wochen und Monaten getan hat und sich derzeit noch tut, ist vielleicht das stärkste Beben das die Verlagsbranche bisher erlebt hat, weil es die großen Häuser trifft. Die Financial Times Deutschland eingestellt, die Frankfurter Rundschau vom Verlag der FAZ übernommen und marginalisiert. Auch im Ruhrgebiet werden die Nachrichten immer gruseliger. Hier heißt der Platzhirsch WAZ-  Funke-Mediengruppe unter anderem mit den Blättern Westdeutsche Allgemeine Zeitung, (Westfälische Rundschau), Neue Ruhr / Rhein Zeitung, Westfalenpost und quasi Alleinherrscher. Dieses Haus liefert ein Paradebeispiel dafür ab, was man so alles nur falsch machen kann. Zeitungen werden sogar entseelt und dennoch scheint kein Halten mehr.

Erst im Januar wurde die Entlassung von 120 Redakteuren der „Westfälischen Rundschau“ verkündet und als Begründung die Interessen des gesamten Unternehmens geliefert. Gute zwei Monate später muss wohl festgestellt werden, das hat bei weitem nicht gereicht nichts aber auch gar nichts gebracht. Denn der Deutsche Journalisten Verband NRW meldet, dass heute am Nachmittag 200 weitere Mitarbeiter entlassen wurden und spricht vom „Sparen als einzigem Konzept“ im Hause Funke. Dabei soll es Mitarbeiter von Content Desk, Anzeigenblätter und der Bereich Anzeigen treffen. Besonders bemerkenswert, die Anzeigenblätter schreiben schwarze Zahlen und das Content Desk sollte die Mantelthemen liefern für die plattgemachte Westfälische Rundschau.

Vorausschauendes Agieren und strategische Unternehmensführung sehen jedenfalls anders aus, Konzepte wie man sein Geschäftsmodell ins 21. Jahrhundert transferieren kann auch. Obwohl der Buhmann ist bereits klar, die Anzeigenkunden und hier anscheinend besonders Aldi.

Die Frage ob die Branche noch zu retten sein wird, scheint sich in 2013 endgültig zu entscheiden. Und es sieht nicht gut aus für die Verlage. Denn die Einschläge kommen schneller und werden heftiger und jetzt werden neben dem bösen Internet im allgemeinen und Google im speziellen auch noch die Anzeigenkunden beschimpft. Nur selbst hat man keine Fehler gemacht, ist doch klar!

Update 21. März: Jetzt trifft es auch noch die Funke-Mitarbeiter in der Zeitungsgruppe Thüringen. Hier wird die Online-Tochter ZGT Online dichtgemacht. Zehn festangestellte und zehn freie Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Anscheinend liegt die Zukunft des Hauses jedenfalls nicht im Web! Mal schauen was stattdessen die Zukunft sein soll. Verstehe das wer will!